
Das Fediverse - keine "Alternative" und kein Nischenprodukt, sondern die bessere Wahl
Wenn über das Fediverse berichtet wird, fallen mir immer wieder regelmäßig 3 Sachen auf:
- Das Fediverse wird vorgestellt und letzten Endes wird nur Mastodon vorgeschlagen, damit sich der anmeldewillige Fediverse-Einsteiger dort einen eigenen Account anlegen kann.
- Das Fediverse wird als Nischenprodukt bezeichnet.
- Das Fediverse soll eine "Alternative" sein.
Als ich darüber das letzte Mal schrieb, bekam ich den Tipp, mir solche Präsentationen einfach nicht anzuschauen bzw. solche Artikel halt einfach nicht zu lesen. Das fand ich überaus witzig, denn warum sollte man nicht auf Fehlinformationen aufmerksam machen? Warum nicht andere User informieren, dass es "mehr" gibt im Fediverse als nur Mastodon?
Warum auch immer... wird das Fediverse vorgestellt und erklärt, aufgezeigt, wie man einen Zugang zu diesem bekommen kann, wird in den allermeisten Fällen Mastodon vorgeschlagen. Dazu muss man aber auch sagen, dass die Menschen, die diesen Vortrag halten, meist selbst Mastodon nutzen. Dagegen ist in erster Linie erst einmal nichts zu sagen... aber: wäre es nicht sinnvoller, eine breitere Palette an Diensten für den Einstieg anzubieten als immer nur Mastodon? Mehrere Möglichkeiten aufzuzeigen und auch zu erklären, anstatt nur diese eine? Sollten neue User nicht ehrlicher an das Fediverse herangeführt werden? Ich finde es einfach nicht fair, potentiellen neuen Usern diese Informationen vorzuenthalten. 🤷
Mir sind immer mal wieder Mastodon-User aufgefallen, die sich nach einiger Zeit dann doch für einen weiteren Fediverse-Account z.B. mit Friendica entschieden haben. Weil sie mit diesem weniger eingeschränkt sind in der Zeichenanzahl. Weil sie gerne mal Beiträge mit mehr als nur 500 Zeichen schreiben möchten. Ja, auf manchen Instanzen wird diese Limitierung der Zeichenanzahl wohl ein wenig angehoben, aber man ist halt immer eingeschränkt beim Schreiben, da es sich bei Mastodon um einen sogenannten Microblogging-Dienst handelt.
Es gibt auch etliche User, denen überhaupt nicht bewusst ist, dass das Fediverse gar nicht nur aus Mastodon besteht. Die erst nach einiger Zeit erfahren, dass es noch andere User im Fediverse gibt, die etwas ganz anderes als Mastodon nutzen. Das lässt sich auch immer wieder sehr schön beobachten, wenn man dem Hashtag "#NeuHier" im Fediverse folgt.
Fairer finde ich es also, in derartigen Präsentationen neutralere Vorschläge zu machen und das interessierte Publikum eigene Entscheidungen treffen zu lassen. So manches Mal kommen mir diese Vorstellungen des Fediverse eher wie eine Art Werbung für das "Produkt" Mastodon vor und sorry - das passt dann meiner Meinung nach einfach nicht. Natürlich kann man seine eigenen Präferenzen angeben, warum auch nicht - aber diese Präsentationen dann nur darauf auszurichten, dass der neue User sich einen Mastodon-Account zulegt, ist in meinen Augen nicht richtig.
Der Zugang zum Fediverse ist mit mittlerweile über 150 verschiedenen Plattformen möglich. Eine Möglichkeit davon ist Mastodon. Heißt also: Neben Mastodon gibt es noch zig andere Möglichkeiten. Natürlich sind davon nicht alles Micro- oder Macroblogging-Dienste. Aber ich finde, dass der Vollständigkeit halber - wenn natürlich nicht alle - doch einige andere Möglichkeiten neben Mastodon erwähnt werden bzw. auch der Zugang zu diesen erklärt werden sollte.
Also: Du musst keinen Mastodon-Account haben, um mit anderen Mastodon-User zu schreiben, ihnen zu folgen oder anderen Usern im Fediverse zu folgen bzw. mit diesen zu schreiben! Und Mastodon ist nicht das Fediverse. Mastodon ist ein Teil des Fediverse. Alle diese Dienste und ihre Server bilden zusammen das Netzwerk, das wir Fediverse nennen.
Anders als bei Facebook, bei dem du nur Facebook-Usern folgen kannst, bei X nur X-Usern usw. kannst du dir nicht nur deinen Zugang zum Fediverse frei wählen, sprich dir eine Software aussuchen, die du dafür nutzen möchtest. Du kannst dich plattformübergreifend mit anderen Usern im Fediverse verbinden! Das bedeutet, dass ein Mastodon-User einem Friendica-User folgen und schreiben kann und umgekehrt. Auch mit anderen Plattformen im Fediverse ist das möglich, gerade das macht das Fediverse aus!
Das bedeutet also: Auch wenn deine Freunde weg von X sind und sich nun bei Mastodon anmelden - du hast die freie Wahl im Fediverse, kannst dieses auch mit einer anderen Software nutzen und trotzdem mit deinen Freunden in Kontakt bleiben.
Für das bessere Verständnis: Mastodon, Friendica, Sharkey, Hubzilla, das sind alles "nur" die unterschiedlichen Namen der Software, die den Zugang zum Fediverse bereitstellen. Sie alle ermöglichen es dir, mit Menschen im Fediverse zu kommunizieren und dich auszutauschen.
Das Fediverse ist ja eher so eine Art Nischenprodukt!
Gut, lass uns diese Aussage mal näher betrachten. Ab wann ist eine Nische eigentlich eine Nische? Und wer legt fest, ab wann eine Nische eine Nische ist? Was sind das für Menschen, die diese Behauptungen aufstellen?
Nur, weil ich etwas nicht kenne, kann und darf ich nicht einfach behaupten, dass etwas ein Nischenprodukt ist! Das Fediverse setzt sich aus so vielen Menschen und Softwareentwicklern zusammen, die mit viel Herzblut an ihren Projekten arbeiten und diese in den allermeisten Fällen kostenlos zur Verfügung stellen. Viele User stellen ihre Server kostenlos für andere User zur Verfügung, die einen Zugang zum Fediverse suchen, und übernehmen dazu auch noch die Moderation bzw. Administration. Das Fediverse ist also ein großes, soziales Miteinander.
Ein paar Zahlen gefällig? Ich betreibe einen eigenen Server mit Friendica. Sehen wir uns da einmal die Statistik im Adminbereich an, die wiedergibt, mit wie vielen Fediverse-Servern und Fediverse-Usern mein Fediverse-Server verbunden ist:
Derzeit kennt dieser Knoten (= Server) 33,329 andere Knoten (mit 9,617,879 aktiven Nutzern im letzten Monat, 3,775,800 aktiven Nutzern im letzten halben Jahr, 41,665,969 registrierten Nutzern insgesamt)...
Bei diesen Zahlen kann ich also das Wort "Nischenprodukt" nicht mehr akzeptieren. Das ist weit von einer "Nische" entfernt. Das sind sehr, sehr viele User, die miteinander verknüpft sind und das Fediverse nutzen!
Keine Nische, keine "Alternative". Das Fediverse ist ein mittlerweile sehr großes Netzwerk mit sehr vielen Usern. Somit ist das Fediverse etwas ganz eigenes, keine Alternative. "Alternative" hört sich für mich so an, als ob ich im Fediverse auf etwas verzichten müsste. Dabei bietet mir das Fediverse doch so viel mehr als herkömmliches Social Media.
Viele einzelne Server, die miteinander verbunden sind, ergeben das Fediverse. Unabhängig davon, mit welcher Fediverse-Software diese Server betrieben werden. Und man kann davon nutzen, was man möchte. Fällt ein Server aus, bricht nicht gleich das ganze Netzwerk zusammen wie bei Facebook, X und Co, denn es ist nur ein Server von vielen.
Also warum ist das Fediverse nun die bessere Wahl? Weil ich frei entscheiden kann, welche Software ich nutze. Weil der Datenschutz im Fediverse groß geschrieben wird, auf Tracking, Sammeln persönlicher Daten und Algorithmen verzichtet wird.
Keines der großen, zentralen Netzwerke wie Facebook, Instagram und Co. bietet ein großes, freies und unabhängiges soziales Netzwerk an. Datenschutzfreundlich, ohne Tracking, ohne Algorithmen, in dem man plattformübergreifend Kontakte knüpfen kann. Das wiederum ist aber im Fediverse möglich.
Also ist das Fediverse meiner Meinung nach keine Alternative, sondern die bessere Wahl.